Wann darf das Privatleben ohne Einschränkungen genossen werden?

 

Heute schreibe ich einen längeren, sehr intensiven und praxisnahen Blogbeitrag über ein Thema, das mich sehr beschäftigt. Ich beobachte zurzeit immer mehr, wie die persönliche Grenze vieler Arbeitnehmer überschritten wird. Viele Menschen kennen und haben keinen geregelten Feierabend mehr. Gerade die höher dotierten Jobinhaber oder Menschen in sozialen und pflegerischen Berufen sind davon betroffen. Dann setzen wir uns jetzt einmal mit dem Thema Feierabend auseinander.

Eigentlich ist bereits Feierabend. Doch da klingelt das Handy. Der Chef ruft an. Vor einigen Minuten ist dann noch eine E-Mail der Sekretärin eingegangen. Was ist nun zu tun? Lust, erreichbar zu sein und zu antworten hast du nicht. Aber wie wirkt dieses Vorgehen auf die Menschen, die dich erreichen wollen oder “müssen“? In Frankreich ist hierzu ein interessantes Urteil gesprochen worden.

Seit Anfang des Jahres 2017 erhalten die Arbeitnehmer in Frankreich demnach das Recht, technische Möglichkeiten der Erreichbarkeit nach Feierabend abzuschalten. Sie dürfen zudem dafür nicht beruflich benachteiligt werden. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass die Vorgesetzten und Kollegen den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern auch emotional kein Unverständnis signalisieren dürfen, da auch emotionaler Druck eine berufliche Benachteiligung sein kann.

Allerdings ist diese nicht immer nachweisbar. Somit bleibt grundsätzlich ein Restrisiko, dass die mutigen “Abschalter“ gemobbt werden könnten. Schauen wir uns aber nun erst einmal noch die Fakten an.

Grundsätzlich besagt das Urteil in Frankreich nicht, dass es für die Arbeitgeber verboten ist, einen Versuch zu unternehmen, die Angestellten nach Feierabend zu erreichen. Es besagt ja nur, dass die Arbeitnehmer die technische Erreichbarkeit über Handy oder E-Mail abschalten dürfen, ohne dass sie berufliche Nachteile fürchten müssen.

Aber es legt größeren Betrieben Pflichten auf. So müssen Unternehmen, die mehr als 50 Mitarbeiter beschäftigen, sich gemeinsam mit der Mitarbeitervertretung in Verhandlungen begeben, damit die Angestellten bestmöglich vor digitalen Zugriffen nach Feierabend geschützt werden. Außerdem müssen Regeln für die Ausnahmen festgelegt werden. Mit klaren Regeln (auch für die Ausnahmen) scheint es auch meiner Meinung nach zumindest ein solider Versuch zu sein, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor einem Burnout bewahren zu wollen.

 

Und wie ist es in Deutschland?

 

Grundsätzlich gibt es in Deutschland hierzu keine einheitliche Regelung, die sich bundesweit anwenden lässt. Allerdings gibt es einige Unternehmen, die diese Problemstellung bereits erkannt haben. Sie haben selbst einige Schritte gegen ein Ausbrennen der Mitarbeiter unternommen. Ein Beispiel dafür sind selbst auferlegte Zeiten, in denen es keinen E-Mail-Zugriff gibt oder auch Kollegen nicht mehr angerufen werden sollen.

Mögliche Varianten sind auch klare Regelungen bezüglich der Zuständigkeiten nach Feierabend. Gibt es Kollegen, die diese Zeiten besser abdecken können als in einer regulären Schicht zu arbeiten? Gibt es Partnerunternehmen, die diesen Service übernehmen können? Deutsche Unternehmen sollten weiter an diesen Punkten arbeiten. Bislang ist es nämlich eher so, dass größere Firmen gute Bedingungen für ihr Führungspersonal geschaffen haben, nach unten hin aber immer noch Optimierungsbedarf vorhanden ist – auch wenn grundsätzlich bessere Bedingungen vorherrschen können, als gesetzlich vorgeschrieben.

Aber wie sollen kleinere und mittelständische Unternehmen mit einer solchen Herausforderung umgehen? Meist entdecken die Arbeitgeber schnell den Bedarf und würden die nötigen Schritte gern umsetzen. Allerdings fehlen ihnen häufig die personellen und finanziellen Mittel dafür. In diesem Bereich gibt es also auch bei uns in Deutschland noch Optimierungsbedarf.

 

Ein paar Beispiele aus meinen Coachings 

 

Rita (42), Sekretärin

„Als Sekretärin ist man ohnehin schon stark eingespannt. Wird der Job von vielen Menschen noch belächelt, so wird bei näherem Hinsehen klar, dass hier die Schaltzentrale ganzer Firmen und Abteilungen liegt. In kleineren Betrieben kann die ganze Verantwortung also bei einer Person liegen. Dass viele meiner Kolleginnen und Kollegen überlastet sind, konnte ich schon immer gut verstehen. Aber dass es mich selbst einmal treffen würde, damit hätte ich nicht gerechnet.

Als Mutter von drei schulpflichtigen Kindern bin ich sehr belastbar und Stress gewohnt. Aber irgendwie konnte ich das Alles auf einmal nicht mehr leisten. Im Nachhinein denke ich, dass ich viel zu lange die Signale meines Körpers überhört habe. Außerdem konnte ich viele Jahre nicht “Nein“ sagen. Somit war ich auch immer für meine Vorgesetzten und Kollegen erreichbar – sogar dann, wenn sie nur nach Papier für den Drucker gesucht hatten. Einen Unterschied zwischen wichtig und unwichtig gab es nicht mehr, die Rita war ja immer für alle da. Doch als ich plötzlich körperlich zu nichts mehr in der Lage gewesen bin, da war ich allein. Auf einmal erkannte ich, dass die anderen Menschen keine Schwierigkeiten hatten, “Nein“ zu sagen. Nur wenige Personen bilden jetzt mein Umfeld.“

 

Das Seelenreaing von Rita hat mir sehr viel Freude bereitet. Es war spannend zu sehen, wie sie beim Reden über sich und andere auf einmal selbst entdeckt hatte, weshalb sie einen Burnout hatte. Zudem beschlich sie immer wieder ein Gefühl der Wut, aus dem sie neue Kraft schöpfen konnte. Die Wut hatte sie auf sich, weil sie sich für Menschen aufgeopfert hatte, die es mit ihr nicht so ehrlich gemeint hatten, wie sie selbst. Ihre Vorgesetzten und Kollegen waren für sie zumindest nicht erreichbar, als es ihr schlecht ging. Im Gegenteil – viele von ihnen nahmen die Diagnose nicht einmal ernst.

Übrigens hat Rita bei mir einige Stunden mit Coaching in Anspruch genommen.

Nachdem sie erkannt hatte, dass ihr Problem in einem “Nein-Sagen“ ohne schlechtem Gewissen liegt, hat sie bei mir gezielt den Online-Kurs “Sage Nein und fühle dich wohl dabei“ gebucht und parallel weiterhin das Seelenreading bei mir in Anspruch genommen.

 

Joachim (63), Lehrer

Joachim ist ein sehr engagierter Lehrer. Für ihn gehörte es zum Job, dass er sich auch am Nachmittag nach Feierabend bei sich zu Hause mit Schülerinnen und Schülern getroffen hatte, die lernen wollten, aber einfach Schwierigkeiten hatten.

Besonders im Fach Mathe konnte ich das gut nachvollziehen. Er hatte schon immer die Auffassung vertreten, dass die Kids dieses Fach mögen würden, wenn sie nur das Prinzip verstehen würden. Er hatte damit Recht, denn viele der Mädchen und Jungen entwickelten Spaß am Lösen der oft auch komplexen Aufgaben.

Er kam zu mir in das Coaching, weil seine Frau mit ihm viele intensive Gespräche über das Thema Feierabend geführt hatte. Als Arzthelferin sind ihr viele engagierte Menschen begegnet, die zugleich Energie aus ihrem Engagement schöpften und dennoch Symptome einer Überarbeitung zeigten. Sie sah dieses Problem auch auf Joachim zukommen. Nach und nach erkannte er, dass ihre Sichtweise richtig sein könnte. Aber er wollte es von einer außenstehenden Person hören – oder von sich selbst.

So kam es, dass Joachim mehrere Termine mit mir vereinbart hatte. Schnell kam heraus, dass er selbst bereits dieses Gefühl in sich hatte, dass er einen geregelten Feierabend benötigt. Er buchte bald schon meinen Kurs “Höchstleistung – gelungener Feierabend“ zusätzlich zum Seelenreading. Nach einigen Wochen hatte er mit mir und auch mit seiner Ehefrau herausgefunden, dass er durchaus weiterhin seine Schülerinnen und Schüler unterstützen könnte. Aber nur bis 17.00 Uhr. Zur Not mussten die Kids eben noch einmal nachmittags in die Schule kommen. Er hatte sich auch ein Handy angeschafft. Dort konnten ihn dann die Eltern bis 17.00 Uhr erreichen. Dann hat Joachim regulär Feierabend.

 

Spannend finde ich die neue Rechtsprechung in Frankreich. Meiner Meinung nach handelt es sich hierbei um den richtigen Ansatz. Auch in Deutschland sollte es nach und nach eine solche Entwicklung geben. Hierdurch können bestimmt einige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einem Burnout entgehen. Dennoch liegt es immer auch zu einem hohen Anteil in der Verantwortung jedes Einzelnen, Verantwortung für sich und seine Gesundheit zu übernehmen. Eine gezielte Beratung und die Inanspruchnahme der passenden Produkte können hierzu einen soliden Beitrag leisten.

Wie regelst du das mit deinem Feierabend? Gelingt dir das Abschalten von deinem beruflichen Alltag? Oder bist du immer erreichbar? Kannst du gut entspannen und lebst du eine gute Balance zwischen deinem beruflichen und privaten Leben? Schreibe mir bitte deine Erfahrungen in die Kommentare.

Alles Gute für dich und pass immer schön auf dich auf.

 

Herzlichst,

Gabi Ratsch

 

 

Bildquellen

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